Alleine bleiben

Alleine bleiben – Trennungsangst vorbeugen

Normalerweise ist ein Welpe, und da reden wir von den ersten 20 Wochen, nie alleine. Entweder kuschelt er sich an seine Mutter, ist die nicht da, rollen sich die Geschwister untereinander zusammen und wärmen sich gegenseitig. Später, in der Explorationsphase der Umwelt, die bei den meisten Hundekindern mit 14 Wochen beginnt, ist bei Wildhunden oder auch Wölfen immer die Mutter oder zumindest ein Babysitter aus dem Rudel dabei. Es ist also nicht von der Natur vorgesehen, dass der Kleine alleine bleiben muss. Im späteren Zusammenleben mit dem Menschen ist es allerdings wichtig, dass der Hund auch mal mehrere Stunden alleine zu Hause ist, ohne dass er Verlustängste erleidet.

Wie wir das langsam und in kleinen Schritten unserem Jungspund beibringen, erfahrt ihr in diesem Artikel. Dabei ist es sehr wichtig, erst einmal zu schauen, was für einen Welpen ich da vor mir habe. Welpen, deren Mutter öfters mal die Wurfbox, z.B. zum Spazieren gehen oder weil sie auch mal trotz aller Fürsorge Ruhe vor ihren Kindern haben wollte, sind meist besser an das Alleine bleiben zu gewöhnen. Beobachtet mal ganz genau, ob euch euer Kleiner ständig verfolgt, oder ob er sogar ruhig in seinem Körbchen liegen bleibt, sobald ihr keinen Körperkontakt mehr habt. Habt ihr nämlich einen Welpen, der Verlustangst bekommt und nur euch fühlend wirklich entspannen kann, ist der Trainingsansatz ein anderer, als wenn ihr ein Hundekind habt, das nicht gleich in Verzweiflung verfällt, wenn ihr mal nicht im Raum seid.

Eine ganz wichtige Regel, die für beide Typen gilt: Testet bitte nicht, wie lange der Welpe alleine bleiben kann. Das Risiko, dass euer Welpe dadurch eine negative Erfahrung macht, die ihn im ungünstigsten Fall für sein weiteres Leben prägt, ist einfach zu groß. Diese negative würde das Training für euren Welpen unnötig erschweren, und ihr müsstet viel kleinschrittiger arbeiten, um dieses Erlebnis wieder aufzulösen. Deswegen, ein gut gemeinter Rat meinerseits: Tut das nicht! Denn ganz wichtig, euer Welpe soll lernen, entspannt zu bleiben, wenn ihr nicht da seid.

Gehen wir es an: Ganz wichtig, trainiert das in ganz kleinen Schritten ab Tag eins, wenn der Welpe bei euch ist. Umso leichter habt ihr es. Wobei es sich dabei wirklich um minimale, minutenartige Sequenzen handelt. Achtet auch darauf, dass der Welpe auch wirklich entspannt sein kann. Wenn er gerade Pipi muss oder spielt, wäre es kontraproduktiv ein Alleinseintraining zu starten. Also, folgende Regel: Welpe muss satt sein, nicht gerade Pipi müssen und auch nicht spielen wollen. Das ist der beste Zeitpunkt, dass er von sich in die Ruhe kommt.

Im ersten Schritt sollte euer Welpe lernen, entspannt zu bleiben, sobald er keinen Körperkontakt zu euch hat. Auch wenn ich immer betone, kuscheln ist sehr wichtig für die Kleinen, wenn es ums alleine Bleiben geht, dürft ihr es auch mal mit eurem Welpen trainieren, dass er ohne euch entspannt in seinem Körbchen oder auf einer Decke schläft. Wichtig ist in diesem Schritt, dass er es schafft, ohne Körperkontakt zu euch, zu entspannen oder sogar friedlich zu schlafen. Gerne kann hier, um den Welpen in Ruhe zu bringen, mein viel geliebtes Schleckerchen zum Einsatz kommen oder ihr streichelt in sanft im Körbchen, bis er eingeschlafen ist. Funktioniert das gut, dürft ihr im nächsten Schritt auch mal das Zimmer verlassen. Aber bitte hier auch in minimalen Zeitabständen beginnen, so dass der Welpe merkt, es passiert nichts, ihr kommt wieder und entspannt bleibt. Dann kann er in ganz langsamen Schritten euer weggehen mit Entspanntsein und Ruhe verknüpfen. Das, was wir uns auch für das spätere Leben wünschen.

Für die ersten Tage
Klappt das gut, dass euer Welpe auch mal alleine liegen bleibt, manifestiert ihr einen Lieblingsort für den Welpen. Wichtig hierbei ist, dass es ein Ort der Entspannung für euren Welpen ist, den er gerne von alleine aufsucht. Beobachtet ihn daher in den ersten Tagen sorgfältig. Mögliche Plätze könnten seine Box sein, die Couch oder sonst ein für den Welpen toller Ort. Beachte, was euch gefällt, kann aus Welpensicht ganz anders wahrgenommen werden. Immer wieder höre ich, der geht nicht auf sein Kissen etc. Ja, meist weil ihm der Ort, wo das Kissen liegt, nicht gefällt. Welpen können da sehr erfinderisch sein. Um diesen Ort, den sich der Welpe sich selbst aussuchen durfte, aufzuwerten, bekommt er dort nun immer tolle Sachen, wie z.B. Kauknochen (Rinderkopfhaut) oder ein gefüllter Kong. Das schafft die Verknüpfung, ok, hier bekomme ich tolle Sachen. Gerne könnt ihr auch immer wieder Leckerchen dort verstecken, die der Welpe anfängt, zu suchen, so dass dieser Ort fast schon etwas Magisches für euren Kleinen hat. Dass ihr auf dem richtigen Weg seid, zeigt der Welpe dann, wenn er immer wieder zu diesem Ort geht und sich dabei von euch wegbewegt. Damit ist die erste kleine Trennungssequenz erreicht.

Ignorierzeit einführen
Liegt der Welpe nun entspannt an seinem Lieblingsort, döst vor sich hin oder kaut auf einem Knochen führt ihr eine sogenannte Ignorierzeit ein, in der ihn 10 bis maximal 20 Minuten nicht anschaut, also euch mit euch selbst beschäftigt. Ziel dieser Übung ist es, dass das Hundekind lernt, entspannt zu sein, wenn ihr im gleichen Raum seid, aber schon eine gewisse Distanz zu ihm habt. Wichtig dabei ist, dass ihr es wirklich schafft, keinerlei Kontakt zu ihm aufzunehmen. Und auch hier kann die Distanz variieren. Bitte darauf achten, manche Welpen schaffen das in den ersten Übungssequenzen mit einem Abstand von 10 cm, andere können meterweit von euch auf ihrem Kissen liegen. Wichtig ist einfach, dass ihr keinen Körperkontakt habt. Das ist der erste Schritt in Richtung loslösen und entspannt bleiben. Diese Ignorierzeit sollte mindestens einmal am Tag, besser zweimal, einführen. Klappt das ohne Probleme und der Welpe steht auch nicht auf in dieser Zeit und gesellt sich doch zu euch, dürft ihr den nächsten Schritt wagen. Wenn er allerdings zu euch kommt, zwingt ihn nicht erneut in die Ruhe. Wenn er allerdings kurz nach euch geschaut hat und wieder alleine auf seinen Platz zurück geht, verstärkt ihr dieses Verhalten, in dem ihr einfach ein paar Leckerchen auf seinen Ruheort werft.

Entfernung und Verweildauer ausbauen
Das schafft ihr am Besten, in dem ihr jeden Tag etwas mehr Distanz zwischen euch und eurem Hund schafft. Auch hier ist es wieder völlig individuell, welchen Abstand der Welpe meistern kann. Das wird so lange geübt, bis ihr am anderen Ende des Zimmers seid. Wenn auch das gut funktioniert, dürft ihr immer weiter aus dem Sichtfeld eures Hundekindes wandern. Gerne sich auch mal entspannt ins Nebenzimmer setzen. Ziel dieser Übung ist es, dass euer Welpe versteht, dass er entspannt auf seinem Lieblingsplatz bleiben kann, egal, ob ihr in seinem Sichtfeld seid, oder nicht. Geht kleine Schritte, baut die Übung sauber auf, umso einfacher ist es für euer Fellkind.

Im nächsten Schritt soll euer Welpe lernen, entspannt auf seinem Platz liegen zu bleiben, auch wenn ihr euch frei in der Wohnung bewegt. Welpen, die dies von klein auf lernen durften, werden euch auch als Junghunde nicht überall hinterher rennen und euch damit kontrollieren. Funktioniert das, öffnet ihr immer wieder die Haustüre, aber ohne raus zu gehen oder ihr zieht im Wechsel mal die Schuhe an, nehmt den Schlüssel in die Hand, alles, was ihr tut, als Vorbereitung, um das Haus zu verlassen. Wichtig ist nur, dass er sich das alles in Ruhe anschauen kann und sanft daran gewöhnt wird, ihr im letzten Schritt aber nicht das Haus verlasst.

Klappt auch das gut, dürft ihr tatsächlich auch mal das Haus verlassen, um nach kurzer Zeit wieder zurück zu kommen. Ihr könnt mal an den Postkasten gehen oder den Müll runter bringen. Länger solltet ihr allerdings zuerst nicht wegbleiben. Klappt das alles gut, und der Welpe liegt noch entspannt auf seinem Platz, wenn ihr zurückkommt, dürft ihr in minimalen Schritten die Dauer eures Fernbleibens verlängern. Auch hier könnt ihr die Entspannung eures Welpen durch einen gefüllten Kong, eine Knabberstange, Relaxopet oder einem Diffusor mit einem entspannenden Öl unterstützen. Begrüßt euch euer Welpe, bitte ignoriert ihn nicht. Ihr dürft ihn ruhig und sanft begrüßen, so dass er auch lernen kann, es ist nichts Wildes geschehen, ihr seid ein verlässlicher Sozialpartner und kommt auch immer wieder.

Tipp: Gerne auch den Welpen mit Kamera und Smartphone überwachen, wenn ihr aus der Wohnung seid. Denn sollte er nicht entspannen können, wenn ihr nicht da seid, kommt ihr bitte direkt zurück und übt es ein anderes mal.

Herzlichst Marie-Louise Herrmann

© Marie-Louise Herrmann  
hundgerecht – mit Herz und Verstand

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