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Kind und Hund - kann das gut gehen?

Diese Thematik wird immer wieder sehr heiß diskutiert, gerade auch weil es immer wieder zu Unfällen zwischen Kindern und Hunden kommt. Sorglosigkeit oder auch die Einstellung, der Hund müsse sich von dem heranwachsenden Kleinkind alles gefallen lassen, bergen sichtliche Gefahren. Es ist definitiv Vorsicht geboten. Dennoch ist ein harmonisches Zusammenleben möglich. Es bedarf allerdings ein auf Prävention gerichtetes Management und vor allem einem Verständnis,
auch aus Hundesicht, hinsichtlich der veränderten Lage. Hier einige wertvolle Tipps und Anregungen, die das Zusammenleben in der Familie erleichtern sollen.
Schon die Schwangerschaft, in der das Kind im Mutterleib geschützt, heranwachsen darf, bleibt vom Hund nicht unbemerkt. Alles was in seiner menschlichen Familie passiert, integriert er in seine Sozialstruktur, in ähnlicher Form, als ob es in einem rein hundlichen Umfeld geschehen würde. Daher kann der Hund eine erhöhte Aggressivität gegenüber seiner Umwelt entwickeln, was in freier Natur dem Schutze des Rudels dient, und daher aus Hundesicht absoluten Sinn macht. Dieses Verhalten ist als sozial orientiert zu bewerten. Denn im Laufe des Zusammenlebens mit dem Hund hat es der Mensch irgendwie geschafft hat, dass er vom Hund als erweitertes Familienmitglied angesehen wird. Gerade unter diesem Aspekt versteht es sich leichter, warum der sonst unauffällige nette Hund plötzlich Besuch verbellt, oder sich an der Leine gegenüber aus seiner Sicht potenziellen Gefahren aggressionsbereit verhält. Aufgrund der hormonellen Abbauprodukte der Schwangerschaft kann der Hund definitiv riechen, dass Nachwuchs im Anmarsch ist und verhält sich gegebenenfalls protektiv aggressiv.

Gerade Hündinnen, aber auch zuweilen Rüden, sehen das Baby als Familienzuwachs an, was auch hormonelle Veränderungen beim Hund zur Folge hat. Hierfür ist das sogenannte Elternhormon Prolaktin, was in der Hirnanhangsdrüse gebildet wird, verantwortlich. Die Ausschüttung von Prolaktin hat zur Folge, dass der Hund sich auf Verhaltensebene auf die Aufzucht und die Verteidigung des Nachwuchses einstellt. Daher kann es auch zur einem erweiterten Radius hinsichtlich der Individualdistanz der Schwangeren kommen. Bedeutet im Klartext: Der Hund lässt ihm fremde Menschen nicht mehr so nah an Frauchen heran, und startet eventuell einen Belästigungsangriff. Dieser ist nicht auf Beschädigung ausgerichtet ist ,sondern soll die aus Hundesicht  potenzielle Gefahr auf Distanz halten. Einfach beachten und durch Distanzvergrößerung bewusst managen, wenn Sie als schwangere Frau mit Ihrem Vierbeiner unterwegs sind oder Kontakt zu anderen Menschen außerhalb des engsten Familienkreises haben.

Wenn bereits Kinder in der Familie sind, und diese von anderen Kindern besucht werden, ist Vorsicht geboten. Denn auch dieser Besuch kann vom Hund als potenzielle Gefahr angesehen werden und ein Distanzschnappen des Vierbeiners zur Folge haben. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich Hund und die besuchenden Kinder bereits kennen oder nicht. Die veränderte Lage in der Sozialstruktur, also die Erwartung des Nachwuchses in seiner Familie ist hier entscheidend.

Dieses Verhalten beruht auf der Infantizid der Hundeartigen. Daher bezieht sich der sogenannte Welpenschutz auch immer nur auf die interne Familienstruktur im eigenen Innenrevier. Übertragen auf die Menschenfamilie bedeutet das im Alltagsleben zwei Dinge: der Hund hat das Bedürfnis, das familieninterne Kind zu schützen. Im Umgang mit fremden Kindern, die z.B. zu Besuch kommen, kann der sonst kinderliebe Vierbeiner aggressives Abwehrverhalten zeigen, da er eventuell das direkte Umfeld als Lebensressource ansieht, die es für seinen „Welpen“ zu schützen gilt. Ein fremder „Welpe“ hat da nichts zu suchen. Diese Sichtweise des Hundes erklärt, warum sich der sonst kinderfreundliche Vierbeiner fremden Kindern gegenüber anders verhalten kann. Nicht selten wird dann ein „Dominanzverhalten“ unterstellt, was aber nicht der Fall ist. Es ist eher im Kontext des Schutzes der Familie zu sehen. Der Hund übernimmt die Babysitterrolle, aber eben nur für den Nachwuchs seiner Menschenfamilie, nicht für Besuchskinder. Eigentlich aus Hundesicht ganz logisch und eher einem sehr sozialorientierten Verhalten zu zu ordnen, als einer Dominanzreaktion. Nun ist es Aufgabe des Besitzers, „Besuchskinder“ dem Hund so vorzustellen, dass er sie als erweiterte Familienmitglieder ansieht, oder zumindest duldet. Erfahrene Hundetrainer können hier wertvolle Hilfestellung geben.

Durch dieses eigentlich sehr soziale Verhalten kann auch ein weiteres internes Problem entstehen. Denn der Job des Babysitters beinhaltet ja nicht nur das Aufpassen, sondern auch das Erziehen. Allerdings ist letzteres vom Menschen nicht gewünscht und schafft Konfliktpotenzial. Sicherlich sollte der Hund ein heranwachsenden Familienmitgliedes nicht auf hundisch disziplinieren. Aber das bedeutet nicht, dass der Hund alles erdulden muss. Immer wieder sieht man in sozialen Medien Bilder oder Videos von Kindern, die Hunde körperlich bedrängen, ihnen an den Lefzen ziehen oder in den Futternapf fassen. Auch hier sind die Eltern gefragt, Konfliktpotenzial zu vermeiden und dem Kind beizubringen, dass der Hund kein Stofftier ist, an dem man beliebig ziehen darf. Ballspiele können beim Hund tatsächlich seinen Jagdtrieb auslösen, und somit provozieren, dass er dem Kind, dessen Kopf ungefähr Größe und Form eines Balles hat, in selbigen beisst. Auch Zerrspiele zwischen Hund und Kind, oder dass das Kind dem Hund sein Spielzeug wegnimmt, bieten Konfliktpotenzial und sollten gerade im Kleinkindalter vermieden werden. Tabuzonen für das Kind, also z.B. ein Körbchen oder eine Box als Rückzugsmöglichkeit für den Hund, sind wertvoll. Ist das Kind noch zu klein, um dies zu begreifen, können räumliche Trenner oder für das Kind unüberwindbare Barrieren helfen. Und eines ist sicherlich klar, Hund und Kind nie unbeaufsichtigt miteinander alleine lassen. Achten Sie auch gesondert auf Demuts- und Abbruchsignale Ihres Hundes. Leicht werden diese übersehen, und dann heißt es, der Hund hat plötzlich zugebissen, obwohl er zuvor mehrfach angezeigt hat, dass er sich bedrängt fühlt.

Die meisten Bisse von Hunden auf Kindern resultieren aus einem fehlgeleiteten Jagd-/ Beutefangverhalten. Ein Kind, das taumelnd oder unsicher läuft, kann in einem Hund eine solche Reaktion auslösen. Auch rennende Kinder können unter das Beuteschema fallen. Manchmal ist es aber nicht die Jagd, die den Biss auslöst, sondern das Angstagressionsverhalten eines unsicheren Hundes, z.B. aus dem Tierschutz, der als Welpe keine Kinder kennen lernen durfte. Oder ein Hund vom Züchter, in dessen Haushalt auch keine Kinder lebten. Es gibt aber auch ganz tolle Hunde, die als Welpe nie Kinder kennen lernen konnten und trotzdem keinerlei Themen mit dem menschlichen Nachwuchs haben. Wie immer gilt, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

Fazit: In den meisten Fällen ist das Aufwachsen mit einem Vierbeiner ein echter Zugewinn für das Kind. Es fördert Empathie und soziales Verhalten gegenüber anderen Lebewesen. Hier sind unsere Hunde die besten Lehrmeister. Außerdem begünstigt die Anwesenheit eines Hundes die Ausdrucksfähigkeit des Kindes. Nicht selten erinnern wir uns im Erwachsenenalter an unseren treusten Freund. Der uns angesichts des ersten Liebeskummers getröstet hat oder mit dem wir zahlreiche Abenteuer erlebt haben. Dieser Artikel soll Eltern für das eventuell veränderte Verhalten ihres Hundes sensibilisieren und zu einem anderen Familienmanagement mit dem Vierbeiner animieren. Damit Sie Zeit seines Lebens ungetrübten Familienspaß mit Ihrem Hund haben.

© Marie-Louise Herrmann –
    hundgerecht – mit Herz und Verstand
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