Kastration

Kastration – Wundermittel oder Körperverletzung??

Eine Frage, die sich vielleicht jeder Besitzer mindestens einmal im Leben seines Hundes stellt. Kastrieren, ja oder nein. Gewissenhaft lässt sich diese Frage nicht pauschal beantworten. Jeder Hund hat eine Individualentscheidung verdient und dank des Deutschen Tierschutzgesetzes ist die Gesetzeslage eindeutig: Ohne medizinische Indikation ist die Kastration in Deutschland untersagt, auch wenn in manchen Praxen noch auf Wunsch des Besitzers ohne Sinn und Verstand die Sexualorgane des Hundes entnommen werden. Viele Tierschutzvereine schreiben die Kastration des Hundes in ihren Verträgen vor, ohne Rücksicht auf eventuell fatale Folgen für den Hund.
Rechtliche Situation in Deutschland
Dabei verstößt dieses Verhalten eindeutig gegen das Amputationsgesetz, unter die auch die Kastration fällt.  Leider fokusieren auch Tierschutzorganisationen in Deutschland Pauschalkrastrationen als einzige Möglichkeit, sogenannte Ups-Würfe zu verhindern. Die gesundheitlichen Folgen für Körper und Geist des Hundes werden dabei leider nicht berücksichtigt, bzw. wissen die meisten vermeintlichen Tierschützer noch nicht einmal, welches gesundheitlichen Schäden eine Pauschalkastrationen im Einzelfall auslösen kann.

Gesundheitliche Schäden
Gerade bei Hündinnen größer Rassen wie z.B. Deutsche Dogge oder Boxer leiden nach der Kastration an Inkontinenz. Man geht hier von einem Drittel aus. Ein kastierter Rüde hingegen kann für Artgenossen nach läufiger Hündin riechen und hat es daher bei Sozialkontakten mit anderen Rüden oft schwer. Nicht selten versuchen die Intakten dann den Kastraten sexuell zu bedrängen, bzw. aufzureiten. Keine schöne Situation für alle Beteiligten. Es gibt auch Studien, die einen Zusammenhang zwischen einem erhöhten Krebsrisiko, Diabetes und Arthrose im Alter herstellen.

Psychische Schäden

Hormone und Verhalten stehen im engen Zusammenspiel. Gerade Frühkastrationen, bei denen die Hunde nicht die Pubertät durchlaufen durften und ihnen meist vor dem ersten Jahr die Sexualhormone entnommen wurden, können infantiles Verhalten zeigen. Man spricht dann vom „ewigen“ Welpen. Diese Hunde haben es gerade in der Sozialkommunikation mit Artgenossen nicht leicht, da ihr Verhalten nicht ihrer körperlichen Entwicklung entspricht. Manche sind daher unsicher im Umgang mit anderen Hunden und zeigen sogar sozialaggressives Verhalten. Auch im Erwachsenenalter sollte die Kastration wohl überlegt und nur bei medizinischer Indikation erfolgen. Bei einem unsicheren Rüde, der vielleicht seine Welpenzeit im Tierheim verbracht hat, kann das Sexualhormon Testosteron sehr wichtig für sein Selbstvertrauen sein. Werden einem solchen Tier die Hoden amputiert, produziert er nur noch in der Nebennierenrinde Sexualhormone. In vielen Fällen reichen diese aber nicht aus, um ein selbstbewusstes Verhalten an den Tag zu legen. Angstbeißen und soziale Unsicherheit gegenüber Artgenossen können die Folge sein. Natürlich wäre dies kein Grund einen unsicheren Hund bei medizinischer Indikation wie z.b. einem Kryptorchismus ( Hodenhochstand im Bauchraum) nicht zu kastrieren. Aber eventuell wäre in diesem Fall, wenn sich nur ein Hoden im Bauchraum befindet und der andere abgestiegen ist, abzuwägen, ob die Entfernung des Hodens im Bauchraum und eine anschließende Durchtrennung der Samenstränge nicht die sinnvollere Methode wäre. So würde der verbleibende Hoden im Hodensack noch ausreichend Sexualhormone produzieren und der Rüde könnte sich aber trotzdem nicht fortpflanzen.

Generell gilt, eine Kastration in Deutschland darf nur noch bei einer medizinischen Indikation durchgeführt werden und sollte wohl überlegt sein. Sie ist kein Ersatz für eine Verhaltenstherapie und kann im ungünstigsten Fall alles noch verschlimmern. Bei einem Rüden würde ich mich immer für einen Kastrationschip entscheiden, bevor ich eine Kastration durchführen lasse. Dieser ist reversibel und versetzt den Hund in den gleichen hormonellen Zustand, wie nach einer Kastration. Zwei meiner Hündinnen sind nicht kastriert und werden es auch nicht. Außer bei akuter Gebärmutterentzündung oder im Falle eines Tumors. Pauschal auf jeden Fall zum Wohle ihrer körperlichen und psychischen Gesundheit niemals.

Wenn Sie das Thema Kastration vertiefen möchten, berate ich Sie gerne oder besuchen Sie mein Seminar „Kastration – wann ist es sinnvoll“. Den aktuellen Termin finden Sie unter https://www.hundgerecht-seminare.de/seminare9dd57325

Wer ein Online-Seminar besuchen möchte, dem empfehle ich: https://www.hundwerkszeug.de/online-angebot/webinare/web-seminar-kastration.html

Lektüre „Kastration und Verhalten“ von Sophie Strodtbeck und Udo Ganslosser

© Marie-Louise Herrmann
    hundgerecht – mit Herz und Verstand
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